Bei meinem Beitrag zur Motivation im Büro schrieb Thorsten, dass die Motivation kein Problem für ihn darstelle. Aber mit der Zeiteinteilung hapere es. Denn er neigt dazu, oft noch Aufgaben anzufangen, wenn die normale Bürozeit im Grunde schon vorbei ist.
Immer wieder befassen sich Studien mit der ständigen Erreichbarkeit in Beruf und Freizeit. Im Homeoffice vermischen sich Privatheit und Arbeit noch mehr. Dabei zeigt sich, dass permanente Verfügbarkeit mit dem Anspruch des „Immer-alles-sofort-gleichzeitig“ zu einer starken Beeinträchtigung des Leistungsvermögens führt. Das wirkt sich auf Dauer auch auf die Gesundheit aus. Das berühmte „Multi-Tasking“ erweist sich vor allem im Homeoffice eher als Hemmnis für einen konzentrierten, kontinuierlichen und vor allem effektiven Arbeitsablauf.
Zeiteinteilung statt digitalem Stress
Der Büroalltag fordert: Eine Mail, die schnell beantwortet werden soll, ein Anruf, ein schnell einberufenes Meeting, ein fragender Kollege – dies alles unterbricht die aktuelle Tätigkeit, reißt Sie aus den Gedanken und ist nichts anderes als ein „unterbrochener Handlungsbogen“. Leider setzt sich diese Einstellung im Homeoffice fort. Während Selbstständige oft gelernt haben, damit umzugehen, fällt dies Angestellten schwer, wenn zu Hause arbeiten, ihre Handlungsbögen nicht zu unterbrechen, um Präsenz zu zeigen.
Der größte Stressfaktor für junge Mütter sind unterbrochene Handlungsbögen, das heißt, dass sie irgendeine Tätigkeit begonnen haben, sie aber nicht oder nicht sofort beenden können, weil ihre kleinen Kinder ihre Ansprüche anmelden, und zwar sofort (!). Während Mütter schon bald lernen, sich vor „unterbrochenen Handlungsbögen“ durch konsequentes Verhalten zu schützen und ihre Tätigkeiten anders zu organisieren, ist dies im Berufsalltag ein „Tabu“-Thema. Ständige Verfügbarkeit wird auch im Homeoffice vorausgesetzt. Ein Mitarbeiter, der vorankommen möchte, versucht durch die ständige Erreichbarkeit im Büro bzw. im Homeoffice Zuverlässigkeit und Flexibilität zu signalisieren. Dass dies auf Dauer Auswirkungen auf die Gesundheit hat, ist nicht verwunderlich.
Die durchschnittliche Dauer sich mit einer Aufgabe zu beschäftigen zu können, sind heute elf Minuten, dann wird die Aufmerksamkeit durch Telefon, Mail (das möglichst umgehend beantwortet werden soll) oder einen Kollegen, der dringend eine Auskunft benötigt, unterbrochen. Was bisher im Büro galt, bestätigt sich jetzt zu Hause. Jede Unterbrechung benötigt Zeit und wenn es nur drei Minuten sind. Aber Sie finden erst nach acht Minuten wieder zur notwendigen Konzentration für die unterbrochene Arbeit zurück.
Die „Reißleine“ ziehen
Viele glauben sie seien davon nicht betroffen, doch eine Überprüfung Ihrer Aktivitäten wird Ihnen möglicherweise zeigen, dass sich auch Ihr Kommunikationsverhalten in den letzten Jahren gewandelt hat.
Wir sind im Kommunikationszeitalter angelangt, wo wir sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag (wer hat noch nicht „schnell“ sonntags oder zu später Stunde eine Mail beantwortet?) erreichbar sind. Das gilt nicht nur beruflich, sondern auch privat. Auch wenn Sie jetzt nicht am Wochenende arbeiten, der Blick in die E-Mails geht ja schnell. Die Beantwortung kostet dann eben doch Zeit. Die Erkenntnis, dass Sie ja auch viel Zeit einsparen, weil Sie den Weg zur Arbeit und nach Hause sparen – ein oft nicht unerheblicher Zeitgewinn, verleitet auch „mal“ über das übliche Maß hinaus etwas zu erledigen.
Beantworten Sie sich folgende Fragen:
- Ist Ihr Handy ständig auf „Bereitschaft“?
- Wie oft schreiben Sie noch schnell ein berufliches Mail oder eine Nachricht über den Messanger oder Intranet, selbst dann, wenn Sie schon Ihr Tagespensum erledigt haben?
- Lassen Sie das Telefon / Handy auch mal klingeln bzw. stellen Sie es auf „stumm“?
- Wenn Sie eine E-Mail erhalten, wie lange warten Sie mit der Beantwortung?
- Wie oft rufen Sie Ihre E-Mails nach Feierabend ab?
- Schreiben Sie einem fragenden Kollegen, dass Sie auf ihn zukommen, wenn Sie mit Ihrer aktuellen Aufgabe fertig sind?
- Delegieren Sie wirklich alle Aufgaben, die Sie nicht unbedingt selbst machen müssen?
- Zu welchem Zeitpunkt machen Sie Ihren PC aus und legen das Handy weg?
Kreative Pausen – Fehlanzeige, Tablett oder Laptop begleiten Sie überall hin gegebenenfalls sogar in den Urlaub. Die Mails können fast überall abgerufen werden und das Handy ist sowieso bei vielen schon fast angewachsen. Erreichbarkeit wird zudem leider viel zu oft mit „Wichtigkeit“ verwechselt. Meist ist es ein „Ausnutzen“ bzw. „Selbstausbeutung“.
Der Terror des „Jetzt – sofort“
Pausen sind nicht nur für Erholung und Gesundheit zwingend notwendig, sondern sind die Grundvoraussetzung, um der Kreativität wieder Raum zu geben. Der notwendige Abstand zu Ihrer Arbeit verhilft Ihnen Ihre Aufgaben wieder konzentrierter und damit schneller zu erledigen. Gönnen Sie sich also im Homeoffice normale Mittagspausen.
Trotz Digitalisierung muss die Trennung von Arbeit, Kommunikation und Freizeit möglich sein – im Interesse einer effektiven Arbeit und der eigenen Gesundheit. So frei diese Digitalisierung mit dem Homeoffice zu machen scheint, ist sie auch Fluch zugleich.
Eine sinnvolle Büroorganisation ist ein weiterer Schritt, die Arbeit so zu gestalten, dass Raum für Kreativität, Entspannung und effektiver Arbeit möglich ist.
Im Homeoffice fühlen sich immer mehr Arbeitnehmer gestresst. Genau das, was Thorsten in seinem Kommentar andeutete, beweist auch eine Studie: Arbeitnehmer haben das Gefühl ständig präsent sein zu müssen. Das wirkt sich negativ auf die Psyche aus und damit auf die Gesundheit.
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In seinem Buch „Leben im Büro“ unterscheidet der Autor offenbar zwischen Büro, dem Platz, wo ich arbeite und Office, das Büro, das ich ständig verfügbar bei mir habe.
Für die Verfügbarkeit rund um die Uhr mag das ideal sein, der Mensch scheint mir dabei jedoch auf der Strecke zu bleiben. Hier das Interview zum Buch:
http://officeabc.blogstrasse.de/wp-content/2012/12/bartmann.pdf