Die große Gründungsphase für Einzelunternehmen kam mit dem Start der Agenda 2010. Existenzgründungen wurden nicht nur sehr leicht gemacht, sie wurden in allen Bereich gefördert. Fast jeder glaubte sich selbstständig machen zu können und die ICH-AGs vermittelten das Gefühl, dass Existenzgründung ein Kinderspiel sei. Mit dem Ende der Gründung über eine Ich-AG 2007, folgte ab November 2011 zudem eine Einschränkung beim Gründungszuschuss.
Seither geht die Zahl der Neugründungen stetig zurück. Das muss nicht unbedingt negativ sein. Zudem stellt sich die Frage: Stimmt das für alle Bereiche?
Gründungsvoraussetzungen
Lange Zeit wurde suggeriert, gründen kann jeder mit einer guten Idee und etwas Startkapital. Nischen zu suchen und sich zu spezialisieren, vor allem in Branchen, die ein breit aufgestellt sind, ist inzwischen unabdingbar. Wer heute noch sagt, ich mach einen Büroservice auf, Leute zum Schreiben werden immer gesucht, verkennt völlig die Marktsituation. Leider höre ich diesen Satz immer wieder.
Neben einer Idee zur Selbstständigkeit muss ein Existenzgründer weitere Voraussetzungen erfüllen:
- Fachkenntnisse basierend auf längerer (Berufs-)Erfahrung
Dazu gehört bei allen schreibenden Tätigkeiten sichere Kenntnisse in Rechtschreibung und Grammatik - Grundlagen des Steuerrechts – es kann nicht sein, dass ein Dienstleister erstaunt ist, wenn er die „eingenommene“ Mehrwertsteuer wieder abführen muss.
- Beratung bei der Rentenversicherung, um einer Scheinselbstständigkeit vorzubeugen. Leider sind die Vorgaben im Büro- und IT-Service inzwischen sehr eng gefasst.
- Marktanalyse mit einer klaren Zielgruppenvorstellung.
Ein überlaufener Markt wie z. B. Büroservice bedeutet nicht, dass man sich nicht selbstständig machen kann, sondern erfordert eine sorgfältige Zielgruppenanalyse ggf. mit entsprechenden Zusatzangeboten. - Kaufmännische Grundkenntnisse müssen vorhanden sein
z. B. für eine unternehmerische Honorarkalkulation und eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung. - Ein gut ausgearbeiteter Businessplan ist zwar die Grundlage für eine erfolgreiche Geschäftsgründung, leider grenzt eine Einkommensschätzung fast an Wahrsagerei.
- Sinnvolle Marketingmaßnahmen – da kommt ein Bürodienst heute nicht mehr ohne professionelle Internetpräsenz aus.
- Kontinuierliche Weiterbildung in allen Bereichen, die die Selbstständigkeit tangieren.
Selbstständig sein, heißt selbst stehen! Dazu gehört die Informationspflicht in rechtlichen Bereichen und besteht ganz besonders für Rechte und Pflichten im Internet. Dies gilt vor allem dann, wenn Sie das Internet maßgeblich für Marketingzwecke nutzen.
Ich erlebe immer noch Selbstständige, die selbst nach der Existenzgründung diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Irgendwann endet diese Selbstständigkeit im Aus. Neben einer weiteren Niederlage nach der Arbeitslosigkeit, kommen oft noch Schulden dazu. Selbstständigkeit ist keine Entscheidung aus dem Bauch heraus, sondern das müssen Sie sehr konsequent angehen.
Recherche
Das A & O am Anfang ist: Recherche, Recherche, Recherche. Dazu gehört nicht nur, wer im unmittelbaren Umfeld ein ähnliches Unternehmen betreibt.
Recherche geht weit über den angestrebten Dienstleistungsbereich hinaus:
- Rechtliche Voraussetzungen prüfen, die sind zum Beispiel bei Bürodienstleistern anders als bei jemandem, der sich im Bereich Food selbstständig machen möchte.
- Ideen sammeln, um die passenden Nische zu finden oder wie Sie als Gründer ihr Unternehmen offline und online präsentieren können.
- Multiplikatoren finden. Hier stehen die sozialen Netze im Vordergrund. Viele bieten neben dem Onlinekontakt die Möglichkeit sich offline kennen zu lernen und Geschäftsbeziehungen zu festigen.
- Die passende Software für die Website aussuchen. Denn heute kann jeder über CMS seine Seite selbst verwalten und ergänzen.
- Woran häufig recht spät gedacht wird, ist die Namensgebung und zwar nicht nur des Firmennamens, sondern damit gekoppelt auch die Domain. Denn Sie wollen doch gefunden werden im Netz.
Foren, verschiedene Blogs und eben die entsprechenden Gruppen in den sozialen Medien geben Hinweise, wo Sie etwas finden und worauf Sie achten müssen.
Qualität statt Quantität
Die Möglichkeit statt arbeitslos zu sein eine Selbstständigkeit zu wagen, war verführerisch. In den Jahren 2003 bis 2007 wurden Arbeitslose regelrecht vom Arbeitsamt bedrängt, sich mit einer Dienstleistung selbstständig zu machen. Bürodienstleistung bot sich an: Online und Home-Office waren die magischen Worte. Ein PC gehörte zur Grundausstattung und zu viele glaubten, dass es losgehen könne.
Als ich mich 2005 zunächst mit Büroservice später mit Bürodiensten in unterschiedlichen Bereichen auseinandersetzte, gab es allein in Baden-Württemberg über 1.500 Anbieter – Karteileichen inklusive. Sich mit „irgendeiner“ Dienstleistung sich selbstständig machen, schwirrt immer noch in vielen Köpfen rum. Vor allem im Bereich der Lieferservice gibt es viele Grauzonen, die mit Selbstständigkeit herzlich wenig zu tun haben.
So bitter es klingen mag, der Markt bereinigt sich selbst. Die Qualität setzt sich durch. Sich mit Dumpingpreisen in den Markt „einkaufen“ zu wollen, erweist sich ebenso als fataler Fehler. Das Honorar muss den Wert der Arbeit, die Sie leisten, deutlich widerspiegeln.
Selbstständigkeit aus einer Nebentätigkeit
Sich aus der Arbeitslosigkeit selbstständig zu machen, kann durchaus erfolgreich sein. Öffentliche Förderprogramme gibt es. Die Möglichkeit zur Unterstützung gibt es nach wie vor für Alo I und Alo II-Bezieher.
Inzwischen müssen Sie den Sachbearbeiter beim Arbeitsamt von Ihrer Idee überzeugen. Sie müssen sich also ihre Selbstständigkeit mit allen Perspektiven bewusst sein, um ihr Konzept überzeugend vortragen zu können. Inwieweit Sachbearbeiter beim Arbeitsamt dieser Aufgabe wirklich gerecht werden, entzieht sich meiner Kenntnis.
Inzwischen bauen sich Selbstständige ihre Existenz vermehrt nebenberuflich aus einer Festanstellung auf. Marketingmaßnahmen laufen nebenher und ein erster Kundenstamm lässt sich so leichter aufbauen. Hier ist der Punkt der Entscheidung wichtig, wann Ihre Selbstständigkeit eine tragende Tätigkeit werden soll.
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Ich habe mich aus der Arbeitslosigkeit in der Selbstständigkeit versucht und bin sehr zufrieden mit dieser Entscheidung. Aller Anfang ist schwer, aber ich sehe Fortschritt. Die Informationen zu Bürodienstleistern sind sehr interessant, in Wien habe ich gerade your office gefunden, bei denen ich bis jetzt zwei Mal einen Raum gemietet habe. In Wien gibt es nicht so eine Überschwemmung von Bürodienstleistern, aber mit diesen bin ich sehr zufrieden.